Faszination Papier

Papier ist für jeden Kunstschaffenden ein faszinierendes Material. Für mich, ich habe jahrzehntelang Radierungen, Aquatinta und verwandte Drucktechniken in meinen Arbeiten angewendet, ist Papier etwas Grundlegendes. Ganzheitliches Denken hat den Schritt beeinflusst, meine Arbeiten auf von mir selbst geschöpften Papieren zu drucken.
Diesen Weg habe ich inzwischen verlassen, um mich in meinem künstlerischen Tun ausschliesslich dem Umgang mit der Paper Art zu widmen. Dabei wird der noch flüssige Faserbrei (Pulpe) vielfältig bearbeitet. Von Beginn an operierte ich vor allem mit der Pulpe als sinnliche Stimulans mit ihrem intensiven Signalwert und als vielsagende Spur. Es reizt mich immer wieder, Naturmaterialien und Fremdmaterialien in die Gestaltungen einzubeziehen. Das erlaubt mir, facettenreich und in unendlichen Variationen zu gestalten.
Die Werke, die in der Natur entstehen, haben durch den Einbezug von Naturmaterialien eine eigene Ausdruckskraft, das Elementare wird spürbar. In einigen Werken ist das Einwirken der Elemente (Erde, Wasser, Luft und Feuer) sichtbar. Die Journalistin Ulrike Zophoniasson schreibt dazu: „ Ina Kunz hat gelernt, „zuzuhören“ und auf die Eigenarten des Papiers (Naturmaterialien) einzugehen. Dank einer adäquaten Arbeitsweise, die das Eigenleben des Materials akzeptiert und achtet, kommt es zwischen dem künstlerischen Wollen – der Idee also – und dem organischen Stoff zu einem Dialog, verbinden sich geometrische Grundformen und elementare Natur zu einem neuen, spannungsvollen Ganzen.“
Meine Atelierarbeiten sind spürbar geprägt durch meine Ausbildung an den Kunstschulen von Wuppertal und Basel. Meine Lehrer waren durchwegs dem Kubismus zugewandte Künstler. Beispielsweise Carl Speglitz, der seinerseits Schüler von Fernand Léger und Johannes Itten war.
Mich faszinieren die konstruktiv-konkrete Kunstrichtung, die geometrische Abstraktion eines Malewitsch und die monochrome Ausrichtung eines Rothko. Die Reduktion, die Minimierung von Vielfarbigkeit auf eine konkrete Farbfläche und ebenso die Konzentration auf rhythmisierte Formen bestimmen meine geometrische Ausdrucksweise, die den Blick in imaginäre Räume frei gibt. Beschränkung fördert die farbliche und formale Klarheit und trifft damit das Wesentliche. Die Oberflächenbeschaffenheit ist je nach Entstehungsvorgang unterschiedlich, damit entsteht eine besondere Dynamik, die die Plastizität verstärkt und eine perspektivische Wirkung erzeugt. Der Gestaltungsprozess und die Pulpe erlauben keine programmatische Geometrie. Dies bedeutet für mich gleichzeitig Disziplin und spielerische Gestaltungsmöglichkeit und ist eine enorme Herausforderung. Das ganze ergibt ein Zusammenspiel von Klarheit in der Formgebung und Ausgewogenheit von Farbe und Fläche.
Es ist mir bewusst, dass ich mit dieser Arbeitsweise eine eigenständige Position bezogen habe, mit der ich in die Nähe der amerikanischen Farbfeldmalerei und dem europäischen Konstruktivismus gerückt bin, mich jedoch eines anderen Ausdrucksmittels, nämlich der Pulpe bediene.